Die Europäische Bürgerinitiative: Die Online-Sammelsoftware und das Problem des Hostings

Die Europäische Bürgerinitiative ist „ein unverbindliches Beteiligungsinstrument, mit dem Anregungen für EU-Gesetzesvorhaben gegeben werden können.“ [1] Voraussetzung dafür ist, dass eine Million EU-Bürgerinnen und -Bürger unter Einhaltung eines spezifischen Ländesquorums, das in einem Viertel der EU-Mitgliedsländer erreicht werden muss, eine solche Initiative innerhalb von zwölf Monaten unterzeichnen. Die Details können auf der Webseite des Vereins Mehr Demokratie nachgelesen werden.

Im folgenden Beitrag möchte ich mich mit der Möglichkeit der digitalen Unterschriftensammlung befassen:


EU-Kommission stellt quelloffene Software kostenlos zur Verfügung

Die Vorteile einer Online-Unterschriftensammlung liegen auf der Hand: So ist sie u.a. im Vergleich zur Papiervariante, die parallel zur Web-Sammlung laufen kann, im personellen Aufwand geringer und kann theoretisch alle InteressentInnen erreichen, die über einen Internetzugang verfügen. Die EU-Kommission stellt jedoch umfangreiche Anforderungen an die genutzte Software sowie an ihren Betrieb, die in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1179/2011 festgeschrieben sind. Zudem ist eine Zertifizierung des Systems durch eine Behörde erforderlich – in der Bundesrepublik Deutschland durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). [2] Die Kommission empfiehlt, die von der EU bereitgestellte Software zu nutzen, da diese zahlreiche Anforderungen bereits erfüllen würde. [3] Doch schien diese bislang einerseits nicht ausgereift zu sein und andererseits sei es schwierig, einen passenden Hoster zum Betrieb des Systems zu finden. Während der erste Teil ausführlich im Interview zwischen Carsten Berg, Koordinator der The ECI Campaign, und dem IT-Experten Xavier Dutoit, der die Sammelsoftware zur ersten erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative Right2Water entwickelt hat, nachzulesen ist, werde ich mich mit dem zweiten Part auseinandersetzen.

Die Suche nach einem Hoster in Deutschland

„Die Organisatoren müssen einen Dienstanbieter für das Hosten ihres Online-Sammelsystems finden“, heißt es auf der Seite der Europäischen Bürgerinitiative. Dass das nicht problemlos ist, räumt die Kommission auf der gleichen Webseite ein. So will sie die Online-Sammelsysteme „auf ihren eigenen Servern […] beherbergen, bis […] langfristige Lösungen gefunden sind und reibungslos funktionieren.“ Das Hosting durch die Kommission soll die Ausnahme bleiben und nur „zeitweilig“ existieren.

Ich habe mich auf dem Deutschen Markt umgehört und die Hoster Strato, Mittwald, HostEurope, All-Inkl, Hetzner, sowie 1und1 angefragt, ob sie die Online-Sammelsoftware unter den Voraussetzungen der EU-Kommission und zertifizierbar durch das BSI aufsetzen und/oder betreiben könnten. Bis auf 1und1 haben alle Hoster auf meine Anfrage reagiert.


Kein klares „Ja“ zum Online-Sammelsystem

Von HostEurope heißt es: „Die genannten Anforderungen können wir leider nicht mit unseren Produkten abdecken.“ Mittwald kann wegen fehlender „Erfahrungen mit der Software bzw. mit dem Online-Sammelsystem der Europäischen Union […] keine Auskunft über die Funktionsfähigkeit auf unseren Servern geben.“ Auch All-Inkl kann keine näheren Informationen geben. Man sehe „auf den ersten Blick […] die Verantwortung beim Administrator eines Accounts mit einer solchen Anwendung und beim Programmierer derselben.“ Man stelle als Hostingprovider ferner „lediglich den Account zur Verfügung.“ Evtl. seien die Anforderungen vergleichbar mit dem Payment Card Industry Data Security Standard (PCI DSS) – dafür stelle All-Inkl ein entsprechendes Angebot bereit. Strato verweist schlicht auf seine „Vereinbarung zur Datenverarbeitung im Auftrag“ (ADV), die u.a. eine „Rechtskonforme Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zum Datenschutz“, sowie eine „TÜV-zertifizierte Datensicherheit nach ISO 27001“ vorsieht. Auch Hetzner verweist in seiner Antwort auf diesen ISO-Standard.

Sollte das Hosting generell durch die Europäischen Kommission erfolgen?

Wegen ihrer mageren Zwischenbilanz steht die Europäische Bürgerinitiative in ihrer Gestaltung generell in der Kritik. Auch im Hinblick auf das Online-Sammelsystem werden – nachzulesen im Report on the European Citizens‘ Initiative (2014/2257(INI)) – einige Kritikpunkte formuliert: „(…) in particular the setting-up of an online collection system and its certification by a competent authority in a Member State, in most cases leave the organisers less then 12 months to collect the required signatues.“ Hier kommt erschwerend hinzu, dass Bürgerinitiativen ihren Starttermin zur Sammlung nicht selbst festlegen können. Bevor diese losgehen kann, muss die Initiative ihr Anliegen bei der Europäischen Kommission registrieren und die Zulässigkeit feststellen lassen. Dafür hat die Kommission zwei Monate Zeit. Wird die Zulässigkeit bescheinigt, startet zeitgleich mit dem Bescheid der 12-monatige Sammelzeitraum. Angesichts der zahlreichen abgelehnten Bürgerinitiativen erscheint ein Aufbau der Sammelsoftware vor Registrierung der Initiative nicht empfehlenswert zu sein. Weitere Kritikpunkte an der Software der Kommission sind die fehlende Hoster-Unterstützung, die nicht vorhandene Barrierefreiheit, sowie keine Möglichkeiten einer Vernetzung mit den gängigen sozialen Netzwerken. Auch wird die Umsetzung einer Sammel-App vorgeschlagen.


An den unzureichenden Möglichkeiten des freien Marktes zum Hosting der Online-Sammelsoftware wäre 2012 beinahe die erste Europäische Bürgerinitiativen, die von der Kommission freigeschaltet wurde, nämlich Fraternité 2020 – Mobilität. Fortschritt. Europa., gescheitert. In einem Artikel im Forschungsjournal soziale Bewegungen (Heft 4 – Dezember 2012) berichten die Verantwortlichen: „Uns lag bereits seit März ein Kostenvoranschlag eines kommerziellen IT Unternehmens aus Wien vor, das sich für knapp 10.000 Euro bereit erklärt hätte, Zertifizierung, sowie Wartung des Systems für 12 Monate zu übernehmen.“ Für die Initiative sei das finanziell nicht zu stemmen gewesen und auch Sponsoren habe man dafür nicht akquirieren können. Infolge wurden von der Kommission für alle bis dahin registrierten Initiativen, bzw. für deren Sammelsoftware kostenlose Serverstrukturen zum Betrieb eingerichtet.

Klare Antwort: „Ja!“

Am Grundproblem scheint sich bis dato nichts geändert zu haben, wie die Stichprobe von sechs Hostern im Raum der Bundesrepublik zeigt. Entweder wurde eine Umsetzung direkt verneint oder müsste erst ausführlich geprüft werden – was für tatsächliche Initiatoren einer Bürgerinitiative wahrscheinlich mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Auch spezialisierte Dienstleister dürften sich, wie am Beispiel Fraternité 2020 – Mobilität. Fortschritt. Europa. zu sehen, ihren Service entsprechend bezahlen lassen. Diese klaren Hürden für mögliche Initiativen können daher nur beseitigt werden, indem das Hosting generell und nicht – wie derzeit lediglich ausnahmsweise – kostenfrei durch die Europäische Kommission erfolgt. Denkbar wäre auch, die Voraussetzungen zum Betrieb der Software näher an den vorhandenen Industriestandards, die bspw. beim geschützten Online-Zahlungsverkehr oder bei der Datensicherheit gelten, heranzuführen. Ein kostenloses Hosting-Angebot durch die Kommission wäre für die einzelne Bürgerinitiative jedoch eine tatsächliche Arbeitserleichterung, denn personelle und finanzielle Ressourcen müssten nicht zusätzlich für die IT aufgewendet werden, sondern könnten sich gezielt mit der inhaltlichen und organisatorischen Umsetzung der EBI befassen. Deswegen sollte die Möglichkeit eines Betriebes durch die EU-Kommission permanent gegeben sein.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.